7. April 2015

Zehn Minuten bei LEGIDA



Ein Erlebnisbericht vom 30. März 2015

 

Schon seit Wochen stehe ich mir jeden Montag die Beine in den Bauch, brülle mich heiser und bei vergessenen Ohrstöpseln riskiere ich mein Hörvermögen. Andererseits treffe ich jeden Montag nette Leute und erkenne Polizisten wieder. Heute habe ich mir allerdings gedacht, ich schaue mal zur Gegenseite. Kurz gesagt: Es war ernüchternd. Der überwiegende Teil der LEGIDA-Anhänger war entweder relativ jung (bis Mitte 20) oder relativ alt (über 60). Vereinzelt waren auch Personen aus Altersgruppen dazwischen auf dem Augustusplatz. Aufgrund der getragenen Kleidung ist ein nicht unwesentlicher Teil der Legidisten klar dem organisierten Nazispektrum zuzurechnen (meinetwegen auch Neo-Nazispektrum, nicht das hier wieder die Standardkalauer der nach rechtsoffenen LEGIDA-Sympatisanten kommen). Auch rekrutierte sich ein Teil der Ordner aus diesem Spektrum. Insgesamt hatte die LEGIDA-Veranstaltung ein gewisses Klassentreffenfeeling aufgekommen lassen. Kichernde Rentner zeigen sich ihre neu gebastelten Schilder. („Guck mal, das Bild hab ich im Internet gefunden.“ – Das Bild zeigte dank Photoshop eine Gruppe IS-Anhänger vor dem Brandenburger Tor.) Die rechtsextreme Splittergruppierung Deutsche Konservative verteilte Pamphlete, die den Islam als terroristische Ideologie vermeintlich enttarnen sollten. Einige Teilnehmer lehnten die Pamphlete mit den Worten „Nee, für die Mörderbande hab ich eh nichts übrig.“ oder ähnlichen Äußerungen ab, was den Mann der Deutschen Konservativen sichtlich erfreute („Na, Sie brauchen wir dann ja dann nicht mehr zu überzeugen.“). Über den Inhalt der Broschüre kann ich nicht viel sagen, ich hab sie Leuten überlassen, die sie besser einordnen können.

Beim weiteren Schlendern über die Opernseite des Augustusplatz lief ich an einer Personengruppe vorbei, die mit schwäbischen Akzent sprachen. Die mutmaßliche Wortführerin im „I love PEGIDA“-T-Shirt erklärte allen Umstehenden, sie wären aus Stuttgart angereist, wo es PEGIDA ja leider nicht geben würde, nur Gegenaktionen. Eine andere Gruppe wurde ein paar Meter weiter mit Deutschlandfahnen und Fahnenstangen im Steckprinzip versorgt, die alle aus einer großen Reisetasche verteilt wurden.

Zumindest im Gedankengut gibt es Anschluss an die Wahnmachenbewegung, aus der LEGIDA-Vorstandmitglied Markus Johnke kommt. Im Gespräch mit einem Teilnehmer, offenbarte dieser ein Potpourri an Verschwörungstheorien. Seinem Schild nach zu urteilen steckten hinter dem NSU niemand geringeres als die Freimaurer, konkreter eine Nachfolgeorganisation der italienischen Loge Propaganda Due (auch P2 genannt), die NATO und noch eine Organisation, deren Name mir entfallen ist. Ironischerweise ist die P2 verschiedenen Quellen zu Folge in die Versuche verstrickt die Kommunistische Partei Italiens mittels vermeintlich linken Terroranschlägen zu diskreditieren. Hinter den Anschlägen standen aber rechtsradikale Gruppierungen. Warum jetzt Rechtsradikale durch die gleiche Gruppierung nach mehr als 40 Jahren diskreditiert werden sollten, konnte mir der Mann nicht beantworten. In diesem Zusammenhang wurde auf die Wahrheiten im Internet verwiesen, als besonders glaubwürdig nannte mir der Mann Jürgen Elsässer und seine Hauspostille, das Compact-Magazin (Wieder ein Bezug zur neurechten Mahnwachenbewegung, die durch Elsässer hofiert wurde und deren Protagonisten er zum Teil Arbeit verschafft hat.). Weiterhin nannte er einen eher schwierigen Blogbetreiber, der nach Informationen des Freitag die Wahrheit auch für einen sehr dehnbaren Begriff hält. (Um diesen Blog nicht unnötig zu promoten, verzichte ich auf eine Namensnennung, halte die Einschätzung des Freitag jedoch für plausibel.)

Relativ prominent waren auch die Reichsbürger zu gegen, die entweder auf Schildern eine vermeintliche BRD GmbH kritisierten oder irgendwelche Phantasiefahnen schwenkten.

Nachdem die Auflagen vom Band eingespielt wurden und der „Wir sind das Volk“-Schlager von LEGIDA abgespielt wurde, verließ ich die Kundgebung. Ich hatte genug gesehen.

 

Was war sonst noch? Das übliche.

Vermummte LEGIDA-Anhänger, was die Polizei aber nicht besonders interessierte. LEGIDA-Anhänger, die sich in Anti-Antifa-Arbeit übten und versuchten Gegendemonstranten abzufotografieren. LEGIDA-Anhänger, die sich für besonders intelligent hielten und auf den Ruf „Nazis raus!“ genau das gleiche zurückriefen, um sich dann vor Lachen zu kugeln. Und Rentner, die stolz orthographisch falsche Antiislamtransparente präsentierten.



← zurück