6. Juli 2022

Halbzeitbilanz der GJ-Leipzig zur Kenia-Koalition in Sachsen



INTRO
Nach zweieinhalb Jahren Kenia-Koalition unter Bündnisgrüner Beteiligung zieht die GRÜNE JUGEND Leipzig kritisch Bilanz. Die sächsische Landesregierung verfehlt ihr im Koalitionsvertrag gesetztes Ziel, das Klima zu schützen und eine klimafreundliche Energieversorgung zu gewährleisten, weitgehend. Im Kampf gegen demokratiefeindliche Bewegungen zeigt sie trotz guter Ansätze ein Umsetzungsdefizit. Im Bereich Bildung wurden kleine, aber wichtige Schritte gegangen, die zu einer perspektivischen Entspannung von Lehrkräftemangel und methodischer Inadäquanz beitragen können. Beim Thema Gleichstellung arbeiten die Koalitionspartner vielmehr gegen- als miteinander.


Klima und Umwelt 

Um Klimaneutralität zu erreichen, aktualisierte die sächsische Regierung das Energie- und Klimaprogramm (EKP). Damit werden Maßnahmen in den unterschiedlichsten Sektoren wie Verkehr, Landwirtschaft und Gebäude definiert, sowie die Risiken und Auswirkung des Klimawandels auf Sachsen aufgeführt. Doch im EKP befinden sich weder Gesamt- noch Sektorziele, an denen sich die sächsische Regierung messen lassen kann. Es wird nur auf die Klimaschutzziele des Bundes verwiesen, die aber nicht im Einklang mit dem Pariser-Klimaabkommen stehen und damit das 1,5 Grad Ziel verfehlen. Die Bestrebungen der Koalition, die Klimakrise einzudämmen, sind dadurch mehr als ausbaufähig. Hinzu kommt die jüngst beschlossene 1000 Meter Abstandsregel für neue Windkraftanlagen. Zwar werden damit auch die bürokratischen Hürden abgebaut und dem Windkraftausbau wird mehr Flexibilität eingeräumt, das Flächenziel von zwei Prozent ist damit aber höchstwahrscheinlich nicht zu erreichen. Positiv bewertet die GRÜNE JUGEND Leipzig den neugeschaffenen Klimafonds, der dazu dient, den Folgen des Klimawandels zu begegnen und die Kommunen bei klimafreundlichen Initiativen wie Unterhaltung von Stadtgrün zu unterstützen. Ebenso wurde mit dem „Baum-ab-Gesetz“ eine Regelung aus 2011 rückgängig gemacht, die die genehmigungsfreien Baumfällung erleichtert hatte. Nichtsdestotrotz ist Sachsen bei der Vergleichsstudie des DIW (Stand 2019) zu Anstrengungen und Erfolgen der Bundesländer bei der Nutzung Erneuerbaren Energie und beim technologischen Wandel weiterhin auf Platz 14. Es bedarf deshalb erheblicher Anstrengungen die Klimaneutralität in Sachsen zu erreichen.

Kampf gegen demokratiefeindliche Bewegungen

1816 rechtsextremistisch motivierte Straftaten wurden laut dem Verfassungsschutzbericht 2021 in Sachsen begangen, 81 davon Gewalttaten wie Körperverletzung. Rechtsextremismus wird vom Verfassungsschutz als die größte Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eingestuft und gerade in Sachsen herrscht dringender Handlungsbedarf gegen extremistische Bewegungen. Die Koalition verabschiedete deshalb im letzten Dezember das sogenannte Gesamtkonzept gegen Rechtsextremismus – eine Maßnahme, die Rechtsextremismus und andere demokratiefeindlichen Bewegungen strukturell bekämpfen soll. Das Konzept umfasst eine Vielzahl von Maßnahmen unter anderem in der Forschung, in Justiz und Justizvollzug, und in der Bildung und Demokratiearbeit. Dazu gehört die Förderung der Erforschung demokratiefeindlicher Einstellungen und Strukturen am Else-Frenkel-Brunswik-Institut an der Universität Leipzig, eine intensivere Verfolgung rechtsextremer Straftaten, und der Ausbau von Präventions- und Früherkennungsmaßnahmen in den Kommunen. Auch Hasskriminalität im Internet soll besser bekämpft werden: Im Januar letzten Jahres ist bereits eine zentrale Meldestelle, eine Art Bürgerportal, gegen Hasskriminalität im Netz beim Landeskriminalamt eingerichtet worden – in Anbetracht der stetig steigenden Bedrohung durch Rechtsextremisus ein längt überfälliger Schritt.In den letzten zwei Jahren hat sich CDU-Ministerpräsident Kretschmer insbesondere dadurch einen Namen gemacht, mit Querdenker:innen „reden zu wollen“. Viel früher hätte die Einsicht kommen müssen: mit Schwurbel-Bewegungen, die in hohem Maße demokratiefeindliche und rechtsextreme Meinungen vertreten, lässt sich nicht reden. Stattdessen hat die Polizei die Augen bei zu vielen Demos der (gewaltbereiten) Bewegung verschlossen. Demos, die regelmäßig derartig eskaliert sind, dass nicht nur Pandemie-Maßnahmen ignoriert und Demo-Vereinbarungen gebrochen, sondern auch Journalist:innen angegriffen und Gegendemonstrant:innen verletzt worden sind. So zum Beispiel bei einer Demo in Chemnitz im November letzten Jahres, bei der sich die Polizei so auf die Identitätsfeststellung von 27 linken Gegendemonstrant:innen fokussierte, dass sie keine Kapazitäten mehr dafür hatte, Ordnungswidrigkeiten bei über 300 Corona-Leugner:innen zu ahnden.


Bildung 

Eines der immernoch brennendsten Themen ist der Mangel an Lehrer:innen deutschlandweit. Bereits 2019 wurde deshalb eine Gehaltszulage für Lehrer:innen beschlossen, die ihr Referendariat auf dem Land machen und dort im Anschluss mindestens fünf Jahre unterrichten. Doch auch diese gut gemeinte Maßnahme kann nicht die Ultima Ratio für die Eindämmung des Lehrermangels auf dem Land sein. Weitere Schritte könnten vorsehen, das gesellschaftliche Klima in den Kommunen inklusiver zu gestalten und die Arbeitsumgebungen durch eine verbesserte Anbindung des ÖPNV an Großstädte attraktiver zu machen. Und dies ist auch dringend notwendig, denn wollen sich keine ausgebildeten Lehrer:innen auf Stellen auf dem Land bewerben, muss vermehrt auf Seiteneinsteiger zurückgegriffen werden.Auch können seit 2019 Lehrer:innen verbeamtet werden. Ob diese bis Ende 2023 befristete Maßnahme fortgeführt wird, muss noch beschlossen werden. Bildungsminister Piwarz spricht sich jedoch klar dafür aus, und auch ein jüngst veröffentlichtes Gutachten, das im Auftrag des Kultusministeriums den Sinn und Erfolg der Maßnahme untersucht hat, empfieht, an Verbeamtungen festzuhalten. Zwar hat die Koalition jüngst den neuen Doppelhaushalt für 2023/2024 beschlossen, der mit über zehn Milliarden Euro so viel wie noch nie für Bildung vorsieht. Doch dort sind nur 730 neue Lehrstellen vorgesehen, obwohl laut Schätzungen mehr als 2000 neue Lehrer:innen gebraucht werden.Auch das Thema Digitalisierung an Schulen geht nur stockend voran. Der seit Mai 2019 laufende, von der Bundesregierung beschlossene Digitalpakt für Schulen stellt fünf Milliarden Euro für den Aufbau von Schul-WLAN, digitale Lernplattformen und interaktive Schultafeln zur Verfügung und wurde zu Beginn der Pandemie um 500 Millionen für digitale Endgeräte für Schüler:innen und Lehrer:innen aufgestockt. Das Kultusministerium zeigt sich zufrieden über die Nutzung der Mittel, Stand März 2022 wurden in Sachsen gut 340 Millionen Euro beantragt und bewilligt. Beschaffungsprobleme wie Materialengpässe erschweren jedoch eine schnelle Umsetzung. 


Geschlechtergerechtigkeit

Beim Thema Gleichstellung zeigen sich die Koalitionspartner uneinig, nicht zuletzt beim Thema Gendern.Einerseits hat das CDU-geführte Kultusministerium unter Bildungsminister Piwarz im Sommer letzten Jahres in einem offenen Brief an die Schulleitungen zum Verzicht auf Sonderzeichen zum Gendern, wie Doppelpunkte, Unterstriche und Sternchen, in offiziellen Schreiben, Elternbriefen und Unterrichtsmaterialien, aufgerufen. Stattdessen sollen geschlechtsneutrale Formulierungen („Lehrkräfte“) und Paarformen („Schülerinnen und Schüler“) genutzt werden. Dadurch bremst die CDU die Einführung einer gendergerechten Sprache und damit auch die Gleichstellung aller Geschlechter aus. Das Verbot ist ein Signal in eine gänzlich falsche Richtung, die vermeintliche Schaffung einer „klaren“ Sprache wird der Inklusion und Sichtbarkeit auch nicht-binärer Personen übergeordnet. Zudem greift das Verbot in die pädagogische Freiheit der Lehrer:innen ein. Einen kleinen Licktblick bietet da der durch das Justizministerium unter Grünenpolitikerin Katja Meier umgesetzte Beschluss, der die Verwendung geschlechtergerechte Sprache in Gesetzen und Rechtsverordnungen vorsieht und so ein im Koalitionsvertrag verankertes Anliegen umsetzt. 


Fazit

Nachdem die CDU jahrelang die dominierende Kraft in der sächsischen Regierung gewesen ist, konnten nun endlich auch progressive Akzente in Sachsen gesetzt werden. Gleichzeit hat Sachsen mit der AFD und Bewegungen wie die Freien Sachsen immer noch ein gewaltiges Problem mit Rechtsextremismus. Ein Teil der sächsischen Regierung tut sich weiterhin schwer, diesem auf institutionellem Wege zu begegnen und zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechts zu fördern. Ebenso muss sich der Ausbau der Erneuerbaren Energien spürbar beschleunigen, sodass Sachsen auch seinen Beitrag für das Pariser-Klimaabkommen leistet und es nicht nur bei Versprechen bleibt. 



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