9. Juni 2023

Pressemitteilung zu den Geschehnissen um Tag X in Leipzig



Pressemitteilung Leipzig, 7. Juni 2023


GRÜNE JUGEND Leipzig kritisieren die Grundrechtsverletzungen am Tag X und fordern eine
Aufarbeitung der Ereignisse


Nach dem Urteil gegen Lina E. wurde dieses Wochenende aus der linken Szene nach Leipzig
mobilisiert, um unter anderem gegen die Kriminalisierung von Antifaschist*innen zu demonstrieren.
Schon am Donnerstag wurde die für Samstag, 03.06., angemeldete Tag X-Demonstration verboten.
Darüber hinaus galt das ganze Wochenende eine Allgemeinverfügung, welche alle Demonstrationen,
die mit dem Urteil gegen Lina E. zu tun hatten, untersagte. Noch dazu wurde für die halbe Stadt für
48 Stunden eine Kontrollzone eingerichtet, welche die Polizei dazu berechtigte, jede Person
verdachtsunabhängig zu kontrollieren und zu durchsuchen. Eine von dem Verein „Say it Loud e. V.“
angemeldete Demonstration, die die Einschränkungen der Versammlungsfreiheit in Leipzig am
Wochenende anprangerte, fand am Samstagnachmittag in der Südvorstadt statt. Mit der Begründung
der Vermummung einzelner Personen wurde kurzfristig die vorher zugesagte Laufroute verboten.
Nachdem die friedliche Versammlung von Polizei umschlossen worden war, gab es
Ausbruchsversuche einiger Personengruppen. Ein Teil der Demo löste sich ab und es kam zu
gewaltvollen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstrierenden, woraufhin bis zu 1000
Menschen von der Polizei gekesselt und teilweise bis um 5 Uhr am nächsten Morgen auf dem Alexis-
Schuhmann Platz festgehalten wurden. Allein das ist eine sehr drastische und einschneidende Praxis!


In besagtem Polizeikessel erlebten die Menschen seitens der Polizei außerdem starke Repressionen,
Gewalt und eine unwürdige Behandlung. Allen Menschen im Kessel wurde mit einer Anzeige wegen
schwerem Landfriedensbruch gedroht. Die Versorgung mit Essen und Getränken wurde durch die
Polizei nicht gewährleistet, war somit nur über Demosanitäter*innen möglich und nicht zu jedem
Zeitpunkt ausreichend. Diese verteilten aufgrund der Kälte in der Nacht auch notdürftig
Rettungsdecken. Zudem war die Möglichkeit auf Toilette zu gehen nur eingeschränkt und unter
unwürdigen Bedingungen gegeben. Die Kommunikation zwischen den Menschen im Kessel und der
Polizei war unzureichend. So wurden Menschen aus dem Kessel geräumt, ohne vorher darüber
informiert zu werden, womit ihnen die Möglichkeit friedlich und freiwillig zu gehen genommen
wurde. In diesem Zuge kam es zu massiver Gewalt in Form von Schlägen und Schmerzgriffen. Es gibt
Videomaterial von Schlägen auf Kopfhöhe und Berichte von Leibesvisitationen, auch Minderjähriger.
Eltern von im Kessel festgehaltenen Minderjährigen, wurden nicht zu ihren Kindern gelassen.
Menschen, die ein Handy dabeihatten, wurde dieses abgenommen. Wir sind fassungslos darüber,
was hunderte von Menschen in dieser Nacht erleben mussten. Die willkürliche und völlig
unangemessene Polizeigewalt verurteilen wir auf das Schärfste.


Wir als GRÜNE JUGEND Leipzig kritisieren die klaren Grundrechtsverletzungen deutlich und fordern
eine transparente und umfangreiche Aufarbeitung der Ereignisse am Wochenende in Leipzig. Es
wurde nicht nur das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit massiv eingeschränkt, auch wurden
Menschen kriminalisiert, die sich friedlich an der Demo beteiligen, und damit von ihrer
Meinungsfreiheit Gebrauch machen wollten. Es war von vorneherein klar, dass Menschen ihre
Meinung und Emotionen auf die Straße tragen wollen. Das Verbot der Demonstrationen und die
Kriminalisierung dieser Menschen hat somit aktiv zur Eskalation beigetragen. Umso unverständlicher
ist es, warum die Polizei mit ihrem massiven Aufgebot an Einsatzkräften, Einsatzwägen,
Wasserwerfern, Räumungsfahrzeugen und Helikoptern eine Eskalation weiter vorangetrieben
beziehungsweise aktiv herbeigeführt hat. Der Versuch, eine Soli-Kundgebung neben dem
Polizeikessel anzumelden, wurde abgewiesen. Die Polizei sagte mehrmals über Lautsprecher durch,
dass politische Meinungsäußerungen unerwünscht seien. Des Weiteren hielt sie sich nicht an die derDemo vorangegangenen Kooperationsgespräche, indem sie den Protestierenden verbot die geplante
Route zu laufen, obwohl für ein höheres Aufkommen an Teilnehmer*innen Alternativlösungen und
Routen vereinbart waren. All diese Vorkommnisse werden in der breiten Medienberichterstattung
kaum thematisiert. Daher wollen wir gezielt auf das problematische Vorgehen der Polizei und Stadt
Leipzig aufmerksam machen. Es muss verhindert werden, dass sich die Ereignisse wiederholen
beziehungsweise als übliches Vorgehen gegen Antifaschist*innen etablieren.


Die Machtdemonstration, Einschüchterung und das gewaltsame Vorgehen der Polizei hinterlässt bei
vielen Menschen tiefe Spuren. Es kann nicht sein, dass Menschen ernsthaft abwägen müssen, ob sie
ihrem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung nachgehen und an
demokratisch gestützten Versammlungen teilnehmen können, oder ob sie aus Angst vor willkürlichen
Repressionen und Gewalt zu Hause bleiben müssen. Wir als GRÜNE JUGEND Leipzig stellen uns
entschieden gegen die staatliche Kriminalisierung antifaschistischen Protests. In einer wehrhaften
Demokratie ist es unsere Pflicht gegen jede Form von Faschismus vorzugehen, gerade in
Deutschland! Es kann nicht sein, dass Menschen, die die demokratisch freiheitliche Grundordnung in
Frage stellen und mit verfassungsfeindlichen Symbolen wöchentlich montags über den Leipziger Ring
laufen, von der Polizei geschützt werden, während der antifaschistische Gegenprotest kriminalisiert
wird und starke polizeiliche Repressionen erfährt.


In Anbetracht all dieser Missstände, die durch die Ereignisse am Wochenende nochmal deutlich
sichtbarer wurden, fordern wir mehr Widerstandsfähigkeit des Staates gegen rechte Gewalt, eine
unbedingte Durchsetzung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit bei demokratisch legitimiertem
Prozess und eine umfangreiche Aufarbeitung der Geschehnisse rund um „Tag X“.



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